Mehr als jeder zweite Teenager war laut einer Studie schon mit Mobbing im Internet konfrontiert – in unterschiedlichen Rollen. Am häufigsten sehen sich die Jugendlichen Beleidigungen und Gerüchten ausgesetzt. Ein Netzwerk scheint ganz besonders betroffen. Was Experten raten.
Allzu lang müssen Teenager nicht suchen, um Hassbotschaften im Netz zu finden. Sie habe ein Lachen wie ein Serienmörder, schreibt etwa ein Nutzer unter einem Bild der bekannten Influencerin Diana zur Löwen. Sie gehöre zu den peinlichsten Berlinern, lautet eine andere. Und das sind nur die harmlosesten Kommentare.
Ob nun als Täter, Opfer oder nur Beobachter: Mehr als jeder zweite Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahren in Deutschland hat schon einmal Erfahrungen mit Cybermobbing gemacht. Das zeigen die Ergebnisse der Sinus-Jugendstudie 2021 im Auftrag der Krankenkasse Barmer, die WELT exklusiv vorliegen. Demnach sind 14 Prozent der Befragten direkt von Attacken im Netz betroffen gewesen, jeder zwanzigste Jugendliche outete sich selbst als Mobber. Am häufigsten gaben die Teenager aber an, bei anderen Cybermobbing beobachtet zu haben (43 Prozent).
Für die Studie wurden insgesamt 2005 Jugendliche befragt. Am häufigsten gemobbt wird durch Beleidigungen (72 Prozent) oder indem Gerüchte verbreitet werden (56 Prozent). Fast jeder Dritte kennt es aber auch, dass er selbst oder andere aus digitalen Gruppen ausgeschlossen werden. Etwa genauso oft berichten Teenager von Belästigungen oder vom Posten peinlicher Videos.
„Cybermobbing ist im Leben der Jugendlichen nach wie vor inakzeptabel weit verbreitet“, sagt Barmer-Chef Christoph Straub gegenüber WELT. Besonders bedenklich: Beleidigungen im Netz finden laut Studie in allen gängigen sozialen Netzwerken statt.
Am häufigsten erfahren Jugendliche das im Messenger-Dienst WhatsApp (59 Prozent). Doch auch aus der Bilder-App Instagram, die wie WhatsApp zum Facebook-Mutterkonzern Meta gehört, kennen laut Studie 41 Prozent der Befragten Mobbingattacken.
Erst in diesem Sommer hat Instagram neue Funktionen vorgestellt, um vor Hass zu schützen. Nutzer können etwa die direkte Kontaktaufnahme durch andere einschränken. Daneben sollen sich – vereinfacht gesagt – mithilfe von Filtern aggressive Kommentare und Nachrichten aussortieren lassen.
„Wir hoffen, dass diese neuen Funktionen die Menschen besser davor schützen, missbräuchliche Inhalte zu sehen“, sagte Instagram-Chef Adam Mosseri zur Einführung. Egal, ob es sich um rassistische, sexistische, homophobe oder andere Arten von Missbrauch handelt. Auch beim jüngsten Netzwerk, der populären Video-App TikTok, berichtet immerhin schon mehr als jeder Vierte von Mobbing.
Barmer-Chef Straub fordert hingegen eine deutlich intensivere Prävention. Betroffene bräuchten leichten Zugang zu Hilfe und vor allem Anlaufstellen, denen sie vertrauen können. „Denn allein sind Mobbingattacken nur schwer zu bestehen“, sagt Straub. Wer Mobbing erfährt, geht damit zumeist zur eigenen Familie.
Zwei von drei Betroffenen suchen Hilfe bei den Eltern, wie die Studie zeigt. Für 44 Prozent gehört aber auch der Freundeskreis zu den ersten Ansprechpersonen. „Mütter und Väter, die besten Freundinnen und Freunde genießen in der schwierigen Lage, in die Betroffene durch das Mobbing geraten, das größte Vertrauen“, erklärt Straub.
Daneben gibt es aber weitere Anlaufstellen, bei denen Teenager nach Hilfe suchen können. Wer heftig mobbt, macht sich häufig sogar strafbar. Betroffene können also Anzeige bei der Polizei erstatten. Doch auch Selbsthilfegruppen und Lehrer bieten sich als Ansprechpartner an. Insbesondere Schulen könnten aktive Aufklärungsarbeit leisten, heißt es von der EU-Initiative Klicksafe.
Allerdings: „Wir wissen aus der Forschung, dass Mobbing sehr spät von Lehrkräften wahrgenommen wird“, sagte Klicksafe-Leiterin Birgit Kimmel anlässlich des jüngsten Aktionstags gegen Cybermobbing vor wenigen Wochen.
Schon vor der Corona-Pandemie sei Cybermobbing ein wachsendes Problem gewesen, heißt es von der Initiative. Die Pandemie habe die Situation aber weiter verschärft, da sich viele Aktivitäten wie Freunde treffen und schulische Angebote ins Internet verlagert haben.
Die Dunkelziffer der betroffenen Teenager dürfte indes höher sein. Zwar behauptet etwa ein Drittel der 14- bis 17-Jährigen laut Barmer-Studie, noch nie etwas von Cybermobbing mitbekommen zu haben. 17 Prozent machten allerdings keine Angabe – oder sagten, sie wüssten es nicht.
quelle: https://www.welt.de
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